Steuert bald KI die Steuern? Viele Artikel warnen vor den Folgen der zunehmenden Automatisierung für alle Berufsgruppen. Aber wird Künstliche Intelligenz tatsächlich zum Steuerberater oder bedeutet sie eine Chance für den Berufsstand? Viel wahrscheinlicher als die Ersetzung ist eine Verschiebung der Tätigkeiten.

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arbeit in Steuerabteilungen revolutionieren - so lautet das Fazit der Studie des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Zusammenarbeit mit der internationalen Steuerberatungsgesellschaft WTS. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren zahlreiche Studien mit dem Ergebnis veröffentlicht, dass Arbeitsstellen wegfallen oder sich stark durch die Digitalisierung verändern. Dass diese Entwicklung nicht vor Steuerberatern Halt macht, ist den meisten Experten klar. Doch wie genau die Zukunft in der Steuerberatungs- und Buchhaltungsbranche aussehen wird, da herrscht nach wie vor vielerorts Ungewissheit.

Der angesehene Analyst Jean Baptiste Su beschreibt die Zukunft der Steuerberatung in einem ForbesArtikel wie folgt:

“In unserer demnächst erscheinenden Studie über die Zukunft des Rechnungswesens erwarten wir, dass bis zum Jahr 2020 die Buchhaltungsaufgaben - aber auch Steuern, Gehaltsabrechnungen, Prüfungen, Bankgeschäfte ... - mit KI-basierten Technologien vollständig automatisiert werden, was die Branche in einer Weise verändern wird, wie wir es in den letzten 500 Jahren nicht gesehen haben. Diese Veränderung bringt sowohl große Chancen als auch ernste Herausforderungen mit sich.”

Dementsprechend wird die zunehmende Einführung KI-basierter Technologien häufig mit Sorge betrachtet. Schließlich könnte die zunehmende Verbreitung von KI in dem steuerlichen Umfeld die Arbeitsleistung eines Steuerberaters entwerten oder überflüssig machen.

Und tatsächlich bietet der Steuerbereich die besten Voraussetzungen für die Automatisierung von Tätigkeiten: Das Anwendungsfeld ist klar abgegrenzt, es ist durch fachspezifisches Vokabular geprägt, große Datenmengen müssen verarbeitet werden und viele der steuerlichen Aufgaben sind repetitiv.

Der Job-Futurmat des Instituts fürs Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass schon heute die Automatisierung in der Steuerberatungsbranche eingezogen ist. Gibt man den Beruf des Steuerberaters ein, so beträgt die Automatisierbarkeit 73 %, bei einem Steuerfachangestellten sogar 100 %.

Ob diese Zahlen der Wahrheit entsprechen, darüber könnte man stundenlang diskutieren, doch was der Job-Futurmat zeigt: Aufgaben, die komplexer sind und eine Beratung umfassen, können nicht von Computern übernommen werden. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass der Beruf des Steuerberaters überflüssig wird, ist unwahrscheinlich. Sehr wahrscheinlich ist dagegen eine Verschiebung der Tätigkeiten in dem Berufsfeld.

Die KI kann also durchaus auch positiv betrachtet werden. So kann die Automatisierung vor allem Experten von Routineaufgaben entlasten. Werden bestimmte Tätigkeiten von Maschinen übernommen, so können die Steuerberater den Fokus auf komplexere Problemstellungen legen. Der Einsatz neuer Technologien bietet somit die Möglichkeit, den Beitrag des Einzelnen zu erhöhen. Ein Beispiel hierfür sind Prüfungshandlungen in der Abschlussprüfung. Hierzu müssen die gebuchten Sachverhalte mit den Unterlagen, die der Buchung zugrunde liegen, abgeglichen werden. Üblicherweise werden Informationen externer Dokumente händisch mit den elektronischen Informationen der Mandanten verglichen. Dieser Prozess sowie die Dokumentation des Ergebnisses sind zeitaufwendig - und die Wertschöpfung gering. Durch den Einsatz von KI kann hier von erheblicher Arbeitsentlastung profitiert werden. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von KI in großen Steuerkanzleien, um bei Auftragseingängen automatisch den passenden Sachbearbeiter zu finden. Die KI könnte Beraterprofile und Terminpläne abgleichen und so die Aufgabe an den passenden Berater problemlos weiterleiten.

Wo stehen wir hinsichtlich KI und Steuern?

In Deutschland wurden im Vergleich zu anderen Ländern bisher nur wenige Schritte in Richtung Künstlicher Intelligenz unternommen. Lediglich die Einführung der E-Bilanz und das KI-basierte Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung sind hierbei nennenswert. Jedoch wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen bereits weitgehend für die Einführung KI-basierter Technologie in der Steuerberatung geschaffen - zuletzt mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens. Zudem verschaffen Studien und Prototypen zunehmend eine solide Grundlage für das Vorantreiben der KI-Technologien im Steuerbereich.

Ein erfolgreiches Beispiel sind die fünf Prototypen, die im Rahmen einer gemeinsamen Studie des DFKI und des WTS entstanden. Zusammen mit Audi, Bosch, E.ON und Henkel wurden KI-Technologien für den Steuerbereich entwickelt und getestet. Folgende Aufgaben können die Prototypen unterstützen beziehungsweise übernehmen:

  • Anomalien in Massendaten erkennen,
  • Steuerprobleme inhaltlich analysieren,
  • Steuerliche Fragen dialogbasiert beantworten,
  • Steuerliche Argumentationsmuster identifizieren und
  • Steuerfachtexte übersetzen.

Die fünf Prototypen nach Anwendungsfeldern:

Quelle: DFKI/WTS Group

Die Studie verspricht somit großes Potenzial von KI-Technologien im Bereich der Lohn- und Umsatzsteuer, Zoll und auch bei Verrechnungspreisen. Nehmen wir z. B. den Prototypen Detection unter die Lupe. Detection wertet automatisch alle Daten in einem Unternehmen aus, die für Steuer- und Zollfragen von Bedeutung sind. So erkennt das System wichtige, teilweise ungewöhnliche Details und kann z. B. bei einer Lieferung genau und ohne hohem Arbeitsaufwand mitteilen, welche Möglichkeiten eines Freihandelsabkommens genutzt werden können. Diese Entwicklung bringt finanzielle Ersparnisse für Unternehmen und zeitliche Ersparnisse für Steuerberater.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass ein allwissender Roboter, der Steuerberater in jeglicher Hinsicht übertrifft, weit entfernt ist. Der Einsatz von KI eignet sich nach wie vor weniger in Bereichen, in denen eine hohe soziale Kompetenz, eine hohe Kreativität oder eine hohe Interaktion erforderlich ist. Im Steuerbereich ist es somit aktuell nicht vorstellbar, dass die Steuerberatung vollständig durch intelligente Lösungen ersetzt wird. Langfristig führt der Einsatz von KI-Technologien aber dazu, dass Steuerberater höherwertige Beratungsleistungen erbringen müssen.

Für den Steuerberater der Zukunft ist es somit entscheidend KI zunehmend in seine Arbeit zu integrieren. Um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Sie sich besser früher als später mit Datenanalyse vertraut machen. KI-Technologien werden riesige Datenmengen verarbeiten und Ihnen für Ihre Entscheidungen zur Verfügung stellen. Sie müssen jedoch in der Lage sein, diesen Berg in kleine leicht verdauliche Teile zu zerlegen und Ihrem Mandanten anschließend verständlich zu präsentieren. Sie müssen die Informationen, die eine KI ausspuckt also verstehen und interpretieren sowie für Ihren Kunden “übersetzen” können. Die Technologie kann Ihnen also helfen große Datenmengen verlässlich in die Prüfleistung einfließen zu lassen. Zudem wird Ihr Kundenstamm immer häufiger erwarten, dass Sie die neuesten Trends in Bezug auf Daten und Technologien zu einem gewissen Punkt beherrschen und erklären können. In unserem Artikel “Der Berater der Zukunft - so entwickelt sich der Job in einer digitalen Welt“ finden Sie weitere Tipps zum Arbeiten im Zeitalter von KI und Big Data.

Fazit

Die Expertise von Steuerfachleuten ist nach wie vor gefragt. Zwar können zahlreiche Tätigkeiten vollständig automatisiert werden, doch komplexe Sachverhalte zu lösen ist noch reine Zukunftsmusik. Das Tätigkeitsfeld des Steuerberaters wird sich jedoch mit Sicherheit wandeln. Insbesondere wird es eine Konzentration und Ausweitung auf hochwertige Beratungstätigkeiten geben. Der Steuerberater der Zukunft wird zunehmend der beste Business-Partner sein, der wichtige Entscheidungen auf Informationen stützt, die durch KI erarbeitet wurde.

Haben Sie Beispiele?

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