Wer kennt es nicht, wenn der Chef kurz vor dem Feierabend folgende Frage stellt: “Können Sie das noch eben fertig machen?” Tatsächlich fallen in fast jedem Betrieb über kurz oder lang Überstunden an. Wir erklären in diesem Artikel, was bei Überstunden gilt und was sich steuerlich lohnt.

Muss ich Überstunden leisten?

Für mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer sind Überstunden der Normalfall. Überstunden dürfen jedoch nicht einfach vom Vorgesetzten angeordnet werden. Allerding gelten folgende Ausnahmen:

  • Notsituation: Hierunter fallen existenzbedrohende Situationen für das Unternehmen, die nicht vorhersehbar waren. Dazu gehören Überschwemmungen und Brände. Kurzfristige Großaufträge oder auch ver­spätet ein­tref­fen­de große Wa­ren­lie­fe­rung fallen nicht darunter, denn solche betriebswirtschaftliche Situationen sollten im Alltag mit eingeplant werden.
  • Leitende Angestellte: Für leitende Angestellte gilt das Arbeitsgesetz nicht (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG).
  • Spezielle Vertragsklauseln: In solchen Klauseln wird dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, Überstunden anzuordnen. Meist enthalten die Vertragsklauseln un­ter wel­chen Umständen der Ar­beit­ge­ber Über­stun­den an­ord­nen darf und wie vie­le Über­stun­den es sein dürfen.
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Was ist der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit?

Umgangssprachlich werden die beiden Begriffe häufig synonym verwendet, doch ergeben sich aus der juristischen Perspektive feine Unterschiede. In Ihrem Arbeitsvertrag steht generell wie viel Arbeit Sie Ihrem Arbeitgeber schulden. Überschreiten Sie diese Arbeitszeit, handelt es sich um Überstunden. Mehrarbeit auf der anderen Seite beschreibt nicht die höhere Arbeitsleistung eines individuellen Arbeitnehmers, sondern die Überschreitung der festgelegten Grenzen im Arbeitsrecht. Für Mehrarbeit gibt es deswegen einen entsprechenden Zuschlag zu entrichten.

Wo finde ich die Überstundenregelung?

Die gesetzliche Überstundenregelung finden Sie im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Ihre persönliche Regelung ist abhängig von Ihrem Vertrag, beziehungsweise Ihrer Vereinbarung:

  • Tarifvertrag: Ein Tarifvertrag beinhaltet häufig Informationen wann und wie viele Überstunden anfallen können.
  • Betriebsvereinbarung: Gibt es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat, so bestimmt dieser gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz bei dem Thema Überstunden mit (§ 87 Abs.1 Nr.3 Be­trVG). In der Betriebsvereinbarung ist häufig geregelt, in welchen Fällen Überstunden (=„vorüber­ge­hen­den Verlänge­rung der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit“) angeordnet werden dürfen.
  • Arbeitsvertrag: Im Regelfall enthält Ihr Arbeitsvertrag eine Überstundenklausel. Damit diese rechtens ist, muss festgehalten werden, wie viele Stunden im Höchstfall zu erwarten sind (s.u.).
  • Einzelvereinbarung: Es ist zulässig eine Einzelvereinbarung mit dem Arbeitgeber über Überstunden zu treffen. Eine mündliche oder stillschweigende Übereinkunft ist hierbei ausreichend. Wichtig ist hierbei lediglich, dass sie einvernehmlich vereinbart wurden.  

“Überstunden mit Gehalt abgegolten” - ist die Klausel rechtens?

Viele Arbeitsverträge enthalten die Klausel “Überstunden sind mit Gehalt abgegolten”.  Eine solche pauschale Überstundenvergütung ist jedoch im Regelfall rechtswidrig (BAG, 01.09.2010 – 5 AZR 517/09). Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass dem Arbeitgeber mit dieser Formulierung nicht verständlich sein kann, was auf ihn zukommt. Im Vertrag muss hervorgehen, wie viele Überstunden und somit welche Arbeitsleistung mit dem Gehalt abgegolten ist. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: Besserverdiener sowie bestimmte Berufsgruppen. Zu den Berufsgruppen, die die Klausel zur pauschalen Überstundenvergütung hinnehmen müssen, gehören u.a. Ärzte, Steuerberater, Rechtsanwälte und Architekten. Das Gleiche gilt für Besserverdiener, also Arbeitnehmer, die mehr als die Beitragsbemessungsgrenze (= Westdeutschland 76.200 Euro, Ostdeutschland 68.400 jährlich) verdienen (BAG, 22.02.2012 - Az. 5 AZR 765/10). Als Grund wird die Tatsache genannt, dass leitende, beziehungsweise höhere Angestellte, nicht allein nach geleisteten Stunden, sondern vor allem nach Erfüllung ihrer Aufgaben und Projekte bezahlt werden.

Was gilt laut Arbeitsrecht?

Grundsätzlich soll das Arbeitsgesetz den Arbeitnehmer vor einer Überlastung schützen. Demnach darf die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als acht Stunden betragen. Der Arbeitstag kann auf zehn Stunden verlängert werden, jedoch nur wenn der Durchschnitt von acht Stunden pro Tag innerhalb von einem halben Jahr bestehen bleibt. Somit gleicht man einen Zehnstundentag zum Beispiel damit aus, dass man an einem anderen Tag nur sechs Stunden arbeitet. Eine weitere gesetzliche Regelung betrifft die Ruhephase von mindestens elf Stunden zwischen Arbeitsende und -beginn am nächsten Tag. Darüber hinaus dürfen Sie nicht an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit geordert werden. Eine Ausnahme gibt es hier für bestimmte Berufsgruppen. Generell muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass diese Vorschriften auch eingehalten werden.   

Wie werden Überstunden abgebaut?

Haben Sie Überstunden geleistet - egal ob aus Pflichtgefühl oder Motivation - entsteht die Frage, wie die Überstunden wieder abgebaut werden. Grundsätzlich haben sie Anspruch auf einen fairen Ausgleich, wenn Sie Überstunden geleistet haben. Hierfür gibt es generell zwei Möglichkeiten: Geld oder Freizeit. Entscheidend ist hierbei was dazu in den jeweiligen Betriebsvereinbarungen, Arbeits- oder Tarifverträgen steht. Ist die schriftliche Regelung vorhanden, ergibt sich die genaue Höhe der Vergütung aus den Bestimmungen. Enthält Ihr Vertrag keine besondere Regelung, können Sie trotzdem eine Vergütung der Überstunden verlangen, wenn es betriebs- oder branchenüblich ist (§ 612 BGB) und Sie kein leitender Angestellter sind (s.o.). Das heißt, hat man nichts vereinbart, gilt üblicherweise Geld. Wichtig hierbei ist es, die geleisteten Überstunden richtig zu dokumentieren, damit Sie Ihre zusätzlichen Arbeitsstunden notfalls auch gerichtlich geltend machen können. Selbstverständlich sollten Sie zunächst versuchen die Überstunden außergerichtlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Nur falls der Arbeitgeber sich weigert, die Überstunden anzuerkennen, sollten Sie mit Ihrem Fall zum Arbeitsgericht gehen. Wie bereits erwähnt muss der Arbeitnehmer die geleisteten Überstunden genau nachweisen können. Das heißt, Sie müssen nicht nur angeben wie lange Sie gearbeitet haben, sondern auch belegen, dass die Überstunden angeordnet beziehungsweise gebilligt wurden (BAG, 23.09.2015 -  5 AZR 767/13). Eine Untersuchung ergab, dass derzeit nur etwa 40 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer für Ihre Überstunden bezahlt werden.

Wie viel Geld erhalte ich für eine Überstunde?

In der Regel erhalten Sie für eine Überstunde genau so viel Geld wie für eine reguläre Arbeitsstunde. Bekommen Sie einen festen Monatslohn, können Sie die Stundenvergütung wie folgt berechnen: Monatliches Bruttogehalt : Wochenstundenzahl x 4,33.

In seltenen Fällen erhält der Arbeitnehmer zusätzlich einen Überstundenzuschlag. Eine gesetzliche Regelung hierfür existiert nicht. Sollte Ihnen ein Zuschlag für Überstunden zustehen, ist es in den jeweiligen Betriebsvereinbarungen, Arbeits-, Tarifverträgen oder auch Einzelvereinbarungen festgehalten. Im Regelfall werden Zuschläge prozentual berechnet, wie zum Beispiel 25 Prozent mehr Geld für jede Überstunde.

Sind Überstunden und Zuschläge steuerbegünstigt?

Überstunden sind weder steuerfrei noch steuerbegünstigt, da es sich steuerrechtlich um normalen Arbeitslohn handelt. Für den Arbeitnehmer bedeuten mehr Stunden ein höherer Lohn am Ende des Monats, was wiederum zu höheren Steuern führen kann. Das Gleiche gilt für Überstundenzuschläge. Eine Ausnahme sind Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit. Bei diesen Arbeiten sind Zuschläge zu folgendem Teil steuerbefreit:

 Zuschläge für

 Anteil des Grundlohns

 Nachtarbeit von 20 bis 6 Uhr

 25 %

 Nachtarbeit von 0 bis 4 Uhr

 40 %

 Sonntagsarbeit von 0 bis 24 Uhr

 50 %

 31. Dezember von 14 bis 24 Uhr

 125 %

 Gesetzliche Feiertage von 0 bis 24 Uhr

 125 %

 24. Dezember von 14 bis 24 Uhr

 150 %

 25./ 26. Dezember, 1. Mai von 0 bis 24 Uhr

 150 %

Zwei Dinge gibt es hierbei zu beachten. Zum einen muss man zwischen der steuerrechtlichen Regelung und dem Anspruch auf die Zuschläge unterscheiden. Im Einkommensteuergesetz (§ 3b EStG) ist zwar die Bedingung für die Steuerfreiheit festgehalten, jedoch wird dort nicht geregelt, dass die Zuschläge in der genannten Höhe auch tatsächlich gezahlt werden müssen. Zum anderen ist die Steuerfreiheit auf einen Grundlohn von 50 Euro pro Stunde begrenzt.

Tipp Lebenszeitkonto: Werden Ihre Überstunden ausgezahlt, können Sie mit dem Arbeitgeber überlegen, ob die Einrichtung eines Lebenszeitkontos in Frage kommt. Ein solches Konto ist hauptsächlich für die spätere Rente gedacht, doch da die Einzahlung auf dem Konto für den Mitarbeiter steuer- und sozialversicherungsfrei ist, kann es sich lohnen, die Überstunden ebenfalls dort einzahlen zu lassen.

Was gilt beim Freizeitausgleich?

Anstelle von Geld, kann ein Arbeitnehmer auch die Überstunden abfeiern beziehungsweise abbummeln. Das heißt, anstatt für die Überstunden entlohnt zu werden, bekommen Sie die entsprechende Zeit frei. Ob dies möglich ist, hängt wieder von Ihrem Tarif- oder Arbeitsvertrag oder einer Vereinbarung mit Ihrem Vorgesetzten ab. Doch da dieser ansonsten die zusätzlich geleistete Arbeit bezahlen muss, haben Sie gute Chancen, die angehäuften Überstunden abzubummeln.

Achtung: Erkranken Sie während Sie Ihre Überstunden abbauen, haben Sie keinen Anspruch auf eine Erstattung. Ein Gutschreiben von Überstunden im Krankheitsfalle ist somit nicht möglich (LAG, 19.11.2015 - 5 Sa 342/15). Freizeitausgleich ist somit kein Urlaub im Sinne des Arbeitsrechts.  

Fallstricke: Verjährung und Kündigung

Im Regelfall verjährt der Anspruch auf eine Auszahlung von Überstunden nach drei Jahren. Somit sollten Sie Ihre noch berechtigten Ansprüche innerhalb dieser Frist geltend machen. Arbeitgeber können jedoch mit einer sogenannten Ausschlussklausel im Vertrag diese Frist auf drei Monate verkürzen.

Eine weitere Fallstricke ist die Ausgleichsquittung. Manche Arbeitnehmer nutzen Ihre Überstunden bei der Kündigung, um das Unternehmen früher zu verlassen. Legt Ihr Vorgesetzter Ihnen nun eine Ausgleichsquittung vor, verzichten Sie mit einer Unterschrift auf jegliche Ansprüche.

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